
Gehört zu einem festlichen Ereignis Sekt oder Champagner? Kann man den Urlaub nur mit alkoholhaltigen Getränken feiern? Ist man eine Spaßbremse, wenn man in Gegenwart anderer bei solchen Gelegenheiten keinen Alkohol trinkt? Muss man sich rechtfertigen, aus welchen Gründen man keinen Alkohol trinkt? Ist Alkoholkonsum der Normalfall und kein Alkohol die Abweichung? Und warum muss man sich rechtfertigen, wenn man keinen Alkohol trinkt – oder anderswo, wenn man es auch Alkohol trinkt, aber nicht immer?
Der Dry January ist ein Weg, der unter diesem Namen nach den Feiertagen nach britischem Vorbild Awareness für einen bedachtsamen Umgang mit Alkohol schaffen will. Andere nutzen die Fastenzeit für einen bewußten Verzicht – und das kann auch Alkohol sein.

Während in den letzten Jahren – zumindest dort, wo ich mich bewege – es beim Essen ziemlich normal geworden ist, dass es neben Fleisch- oder Fischgerichten auch immer vegetarische – und immer öfter auch vegane – Varianten gibt, sei es in Speisekarten oder bei Büffets, ist es eher selten, dass bei Veranstaltungen für Erwachsene neben alkoholhaltigen Getränken auch gleichwertige alkoholfreie Alternativen angeboten werden. Das Glas Sekt als Begrüßungsgetränk wird – wenn überhaupt – meist mit einem – oft nicht wirklich leckeren – Orangensaft (aus dem Tetrapack) zusammen angeboten. In Hotels und auf Kreuzfahrtschiffen wird mit einer „Flasche Sekt oder Champagner“ zur Begrüßung im Zimmer bzw. auf der Kabine geworben, eine attraktive alkoholfreie Alternative ist – wenn überhaupt – nur auf Nachfrage erhältlich. Immerhin haben es die Mocktails auf die Karten der Bars geschafft und alkoholfreie Biere oder koffeinfreier Kaffee gehören genauso wie laktosefreie Milch zu den Standards bei gastronomischen Angeboten, die „state of the art“ sein wollen.
Gerade die Aufmerksamkeit, die durch den Dry January auf das Thema Alkohol gerichtet ist, zeigt ( z.B. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-alkoholfrei-getraenke-weinbegleitung-sparkling-bistro-broeding-gourmetrestaurants-1.6339218 ), dass es in der Gastronomie immer mehr Angebote gibt, die die Allgegenwärtigkeit von Alkohol durch andere Formen des Genusses ergänzen können ohne in puritanisches und freudloses Abstinenzlerverhalten zu verfallen, dass Alkohol verteufelt und deshalb für viele Alkohol umso attraktiver macht. Sei es guter alkoholfreier Wein oder Sekt, Tees in großer Vielfalt als Begleitung eines guten Essens, ein Getränk zum Anstoßen, dass alkoholfrei mehr ist als billiger Orangensaft aus dem Tetrapack und das fürs Auge und den Gaumen ebenso viel bietet wie das gesellschaftlich akzeptierte Glas Sekt, Getränke zum Essen, die mehr Auswahl bieten als Wasser oder zuckrige Softdrinks oder auch eine Begrüßung auf einer Kabine, die (gerne im Vorfeld bei der Buchung angegeben) nicht die Auswahl zwischen Sekt oder gar nichts bietet.
Ich bin gespannt, wie lange es braucht, bis hier ein Trend auch zur Normalität wird – und ich auf einer Kabine statt einer Flasche Sekt von einer interessanten alkoholfreien Alternative begrüßt werde.




Hinterlasse einen Kommentar