„Ich missbillige, was du sagst, aber ich werde bis zum Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.“ Evelyn Beatrice Hall
Wenn man heute Kinder und Jugendliche fragt, was sie gerne werden wollen, dann hört man oft „Youtuber“ oder „Influencer“. Es scheint leicht verdientes Geld zu sein, nur mehr oder weniger kurze Insta-Stories und YouTube-Videos mit sich selbst als Hauptperson zu veröffentlichen und damit viel Geld zu verdienen.
Und während Influencer in der Wahrnehmung eher in einer jüngeren Zielgruppe unterwegs sind, gibt es für den stetig wachsenden Markt der Kreuzfahrten gerade im englischsprachigen Bereich eine bunte Gruppe von Amateuren und einigen neben- und wenigen hauptberuflichen Cruise-Vloggern, die über ihre Kreuzfahrten auch in YouTube-Videos berichten. Dabei sind Cruise-Vlogger vorwiegend als Mikro- (10.000 bis 100.000 Follower) und einige wenige als Makroinfluencer (100.000 bis 1 Mio. Follower) tätig. Sie gehen dabei in der Regel nicht Partnerschaften mit einzelnen Reedereien ein, sondern berichten über eigene Reisen, die sie selbst gebucht und bezahlt haben, mit unterschiedlichen Anbietern.
Damit sind sie ein wichtiger Bestandteil der Informationen über diese Reisen, denn heutzutage suchen sich die Reisenden auch selbständig ihre Informationen über die von den Anbietern bereitgestellten hinaus, zumal wenn sie nicht ein Reisebüro ihres Vertrauens haben, sondern direkt beim jeweiligen Anbieter buchen.
Man tauscht sich gerne in Facebookgruppen aus und sucht sich seine Informationen im Netz – oder fragt jemanden, der schon mal mit einer Kreuzfahrt unterwegs war. Und ich finde es gut, dass man die Wahl hat, was man sich intensiver anschaut. Dabei haben die Vlogger für viele den Vorteil, dass es eben verschiedene gibt und man sich so auch sowohl verschiedene Reiseformen (z.B alleine, als Paar, als Familie, als Gruppe….) als auch verschiedene Reedereien und Schiffe anschauen kann – und im Zweifel feststellt, dass einige mit den Punkten, die sie berichten, näher an den eigenen Ideen sind als andere. Das sind dann die, deren Kanäle man abonniert und auch sonst enger verfolgt und begleitet. Diese Vlogger lassen aber auch ihre Zusehenden näher an ihr privates Leben kommen und daran teilhaben. Sie werden erkannt und verlieren den Luxus, auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs zu sein und dabei von niemandem erkannt zu werden – sie werden von Mitreisenden angesprochen und gehen ins Gespräch mit diesen. Das ist einerseits schön, wenn es positives unmittelbares Feedback und ein Dankeschön ist, bedeutet aber auch, dass man von Menschen beobachtet und bewertet wird, die man man selbst gar nicht kennt.
Auch die Punkte, die kritisch bewertet werden, sind bei vielen Vloggern unterschiedlich – und die Gründe dafür müssen für mich persönlich nachvollziehbar dargestellt werden, dann kann ich das für mich einordnen und selbst bewerten.
Denn ich nehme mir persönlich immer wieder vor, auch bei Kreuzfahrten mal meine Komfortzone zu verlassen und etwas (für mich Neues) auszuprobieren, was ich bisher nicht so auf dem Zettel hatte. Dabei bekomme ich oft erste Ideen von Vloggern genauso wie von Artikeln über Reisen, die auf meine persönliche Liste „möchte ich mal machen“ kommen. Es gibt also verschiedene Punkte, bei denen vor der Buchung Informationen aus ganz verschiedenen Quellen für die Einzelnen zusammenkommen. Anbieter von Reisen – wie anderen Produkten und Dienstleistungen – nutzen deshalb heutzutage natürlich auch Influencer-Marketing, man nutzt Markenbotschafter:innen aus dem Kreis der Stammkunden (zum Beispiel die AIDA-Clubbotschafter) und auch Reisebüros nutzen soziale Medien, agieren wie Cruise-Vlogger oder moderieren größere Facebookgruppen, die meist eher als Gruppen von Reisenden daher kommen.
Carnival und der 5-Jahres-Bann „weil wir Ihnen nicht den Urlaub bieten können, den Sie sich wünschen“
Mitte Juni begann eine Debatte um eine Entscheidung von Carnival UK, die Cruise Vlogger Dan und Jay , die auch das Sailaway Magazine – Print, online und Podcast – betreiben für fünf Jahre als zahlende Gäste von Reisen auf allen zu Carnival gehörenden Marken auszuschließen.
https://sailawaymagazine.com/carnival-banned-us-these-are-the-questions-cruisers-are-asking/
Seitdem wird eine Debatte darüber geführt, die schon selbst einen Teil der Probleme gut illustriert. In den britischen Medien gibt es dazu keine Berichterstattung, es gibt aber eine rege Debatte in den verschiedenen Social Media Communities. In Deutschland wurde dazu einen Artikel im Hamburger Abendblatt veröffentlicht und der Reisejournalist Franz Neumeier hat auf dem von ihm betriebenen Blog einen Beitrag veröffentlicht https://www.cruisetricks.de/fuenf-jahre-kreuzfahrt-verbot-carnival-corp-setzt-britische-youtuber-auf-die-schwarze-liste/.
Ende Juni gab es einen neuen Sachstand, wonach der Bann sich nicht auf alle Carnival-Marken – wie im ursprünglichen Brief ausgeführt – sondern nur auf einige der Marken bezöge, was das Verhalten von Carnival UK eher noch weniger nachvollziehbar macht https://sailawaymagazine.com/revealed-our-ban-doesnt-include-carnival-cruise-line/.
Die Diskussion in den Kommentaren der deutschen Debatte bestätigt manche Vorurteile über Diskussionen in den sozialen Medien, die man nicht unbedingt als wertschätzend beschreiben kann. Die Frage, wie kritisch darf ich einem Anbieter gegenüber sein, wenn ich mit dem gelieferten und von mir bezahlten Angebot Probleme habe, wird nicht eindeutig beantwortet und was wer als unangemessen kritisch oder schrill betrachtet hat eine gewisse Diversität in den Antworten.
Bewertungen bei Google Maps, bei TripAdvisor oder CruiseCritics sind für jedermann möglich – und die Frage, wie ich hier mit Kritik umgehe schon aufgrund des begrenzten Platzes, durchaus eine Frage der Debattenkultur. Und während Anbieter von Reisen natürlich auch die Fotos und Impressionen von Reisenden auf ihren privaten Social Media Accounts gerne nutzen, um damit positive Reichweite zu erreichen ist die Frage, wie man mit Problemen und Kritik umgeht auch hier die Masterclass des Kundenmarketing.

Interessant finde ich in der deutschen Debatte auch die Wortmeldungen, die den Vloggern Profitstreben ankreiden, ohne gleichermaßen das Profitinteresse von Aktiengesellschaften zu hinterfragen, wenn es zu Kürzungen der von den Kunden mit dem Reisepreis bezahlten inklusiven Leistungen eines Angebots geht, und die natürlich trotzdem die Leistungen der Vlogger umsonst nutzen möchten, gerne auch verbunden mit dem Recht, am Vlog zu kritteln und weitergehende Ansprüche an die Content Creators zu richten. Und um transparent zu sein: ich habe persönlich auch 100 Aktien der Carnival plc und bin damit eine der vielen Personen, die natürlich auch ein Interesse an wirtschaftlich gesunden Reedereien haben. Aber es sichert nicht meinen Lebensunterhalt und ich bin keine der Aktionärinnen, die aufgrund ihres großen Anteils an allen Aktien für CEO eine besondere Bedeutung haben.
Generell gilt: wer Reisen macht, muss die nötigen Mittel haben, diese zu bezahlen (und die Zeit, sie zu unternehmen). Wer über (seine) Reisen professionell berichtet, muss in der Regel – da die wenigsten ausreichend geerbt haben oder von ihrem Vermögen leben können -, seine Reisekosten und seinen Lebensunterhalt refinanzieren. Ob man nun als freier (oder angestellter) Journalist arbeitet oder ganz oder teilweise als selbstständiger Influencer vom Berichten über Reisen leben will, ist die eigene Entscheidung – und man muss sein persönliches Geschäftsmodell dafür finden. Und es ist dann eben übrigens auch Arbeit (auch wenn sie vermutlich schön ist) und nicht vor allem Vergnügen und Freizeit. Man finanziert guten Journalismus durch den Kauf von Zeitungen oder Zeitschriften, die sich auch durch Anzeigen finanzieren (und deren Verleger hoffentlich angemessen die Journalisten, die die dort veröffentlichten Artikel schreiben, honorieren), oder im Fall von Radio und Fernsehen refinanzieren sich diese ganz oder teilweise durch Werbung oder Abonnementmodelle. Wenn ich im Netz YouTube-Videos schaue, dann honoriert YouTube die Zahl der Views und Likes danach, wie viel Werbung in den Videos gezeigt werden kann, man kann als Zuseherin für Videos, ergänzend mit der Funktion Thanks den Content Creators direkt Geld für ihre Arbeit zukommen lassen. Wenn in den Beiträgen Affilate-links (oder Rabattcodes) genutzt werden, weil man seine erprobten Produkte vorstellt und andere die auch gerne haben wollen, bringt das den Veröffentlichern Geld. Und es gibt noch mehr „kanns“ wie man diese Arbeit honorieren kann, die dann die Einzelnen in ihrem Geschäftsmodell zusammenführen und auf Erfolg dieses Unternehmens hoffen.
Aber diese Veröffentlichungen machen Arbeit und kosten für eine gute Qualität Zeit – und das gilt für Blogger:innen und Journalist:innen ebenso wie es Cruise-Vlogger Zeit und Arbeit kostet, gute Videos zu produzieren und zu veröffentlichen. Niemand ist gezwungen, YouTube-Videos zu sehen, die man nicht mag und nicht jedes Geschäftsmodell funktioniert. Aber die Reedereien profitieren durchaus von den vielen YouTube-Videos, die im Netz zu finden sind – und sei es wenn am Ende die Leute buchen, weil sie schauen wollen, ob Reederei X oder Y wirklich so schlecht sind, wie in den Videos allgemein beschrieben.
Das Spannungsfeld zwischen Influencer-Marketing, Empörungskultur, Debattenkultur und dem Umgang mit Kritik ist in einem Artikel von Markt und Mittelstand gut zusammengefasst https://www.marktundmittelstand.de/ratgeber/carnival-cruises-sperrt-kritische-influencer-branchenpraxis-oder-maulkorb. Die Autorin Britta Kuschnigg fordert eine neue Ethik des Einflusses: „ein gesellschaftliches Korrektiv, das Transparenz, Redlichkeit und Maß wieder in den Mittelpunkt stellt. Die Herausforderung liegt nicht darin, Meinungen zu unterdrücken – sondern darin, Räume für differenziertes Sprechen zu schaffen, jenseits algorithmischer Empörungsspiralen. So müssen Unternehmen lernen, mit öffentlicher Kritik souverän umzugehen. Influencer wiederum stehen vor der Frage, ob sie Teil eines Diskurses sein wollen – oder bloß seine Lautsprecher.“ Bleibt noch die Frage, wo der reale oder virtuelle Ort ist, wo diese Fragen verhandelt werden und wie das Ergebnis der Debatte mit den Algorithmen der sozialen Medien und den finanziellen und sonstigen Interessen der dahinter stehenden Unternehmen verbunden wird.
Seit Anfang 2023 blogge ich hier über meine privaten Reisen. Es ist ein kleines privates Projekt, das mir persönlich Freude bereitet, und deren Kosten und die Zeit dafür von mir privat abgedeckt sind. Es ist auch mit einer Mission verbunden: Auf Reisen möchte ich meine Perspektive als alleinreisende Frau an Veranstalter und Menschen weitergeben, die mit Reisen zu tun haben. Ich schicke meine Beiträge gerne auch direkt an die jeweiligen Reiseveranstalter etc. und beobachte mit Interesse, wie unterschiedlich sie reagieren.
Das Carnival UK zwei Personen mit der kryptischen Begründung „man könne nicht den Urlaub gewährleisten, den die beiden wollten“ einen fünfjährigen Bann für alle Marken von Carnival ausspricht, und damit jede Form von Kommunikation seinerseits beendet, finde ich mehr als irritierend und hoffe, dass es einen Dialogprozess gibt. Die fehlende Transparenz über eine nachvollziehbare Begründung beunruhigt mich und ich hoffe auf Transparenz und Dialog in der Zukunft, damit Diversität auch bei der Meinungsäusserung ihren Platz in der Welt der Kreuzfahrten hat und es klare Regeln für Kommunikation übereinander und miteinander gibt, damit nicht Unternehmen einseitig die weitere Kommunikation verweigern können und man gleichzeitig Regeln für journalistische und für eher subjektive Berichterstattung genauso wie für die wertschätzende Kommunikation in Threads und untereinander entwickelt. Denn so kann etwas Gutes nur noch besser werden.




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